Auferstehung der Toten?

cemetery-999955_1280 (Foto: Ruedi Bertschi)
Gibt es eine Auferstehung der Toten? Und wenn Ja, wie geht das? - Das sind Fragen, die schon zur Zeit von Jesus im Umlauf waren. Jesus hat dazu ganz schlichte Antworten gegeben. Daraus ist eine Predigt entstanden.
Ruedi Bertschi,
Predigt vom 26. Oktober 2025 zu Markus 12:18-27
Thema: Auferstehung nach dem Tode?


Liebe Gemeinde, liebe Gäste

In den Evangelien begegnen wir immer wieder mal den Pharisäern. Sie haben in den Evangelien einen ziemlich schlechten Ruf. Man erlebt sie oft etwas eifriger als Gott lieb ist, manchmal, wenn der Eifer nicht mehr ausreicht, sogar als heuchlerisch. Dass Jesus sich aber so oft mit ihnen auseinandersetzt, ist ein Zeichen, dass er sie für eine ernst zu nehmende Bewegung in seinem Volk betrachtete. Und das waren die Pharisäer auch. Ohne sie hätten wir das Alte Testament nicht überliefert. Ohne sie hätte auch das Judentum nicht überlebt. Sie sind die Frommen, Konservativen, Engagierten und Gemeinschaftstragenden.

Neben den Pharisäern gab es am andern Ende des Spektrums die Sadduzäer. Sie sind die, welche wir heute die Liberalen, vielleicht auch die Modernistischen nennen würden. Während die Pharisäer alles taten, damit die biblischen Weisungen erhalten und eingehalten wurden, sich dafür auch mit den Römern und Herodianern anlegten, machten die Sadduzäer leicht Kompromisse und Abstriche, um gesellschaftlich mit dabei zu sein. Kein Wunder hat ihre Bewegung dann die Tempelzerstörung nicht überlebt. Mit dem Untergang des Tempels im Jahre 70 nach Christus sind sie von der Bildfläche verschwunden. - Sie legten sich viel weniger mit Jesus, an und Jesus legte sich viel weniger mit ihnen an. Was dem Untergang geweiht ist, lässt man vielleicht besser einfach mal in Ruhe.

Warum erzähl ich das alles? Nun, weil es heute um eine Frage von Seiten der Sadduzäer geht. Im 12. Kapitel des Markusevangeliums wird uns nämlich folgendes berichtet: «18 Und es kommen Sadduzäer zu ihm, die behaupten, es gebe keine Auferstehung; und sie fragten ihn: 19 Meister, Mose hat uns vorgeschrieben: Wenn einem der Bruder stirbt und eine Frau zurücklässt und kein Kind hinterlässt, dann soll sein Bruder die Frau nehmen und seinem Bruder Nachkommen erwecken. 20 Nun waren da sieben Brüder. Der erste nahm eine Frau, und als er starb, hinterliess er keine Nachkommen. 21 Da nahm sie der zweite und starb, ohne Nachkommen zu hinterlassen, und ebenso der dritte. 22 Und alle sieben hinterliessen keine Nachkommen. Zuletzt, nach allen andern, starb auch die Frau. 23 In der Auferstehung nun, wenn sie auferstehen - wessen Frau wird sie sein? Alle sieben haben sie ja zur Frau gehabt. 24 Jesus sagte zu ihnen: Irrt ihr nicht darum, weil ihr weder die Schriften noch die Macht Gottes kennt? 25 Wenn sie nämlich von den Toten auferstehen, heiraten sie nicht, noch werden sie verheiratet, sondern sie sind wie Engel im Himmel. 26 Was aber die Toten betrifft, wenn sie auferweckt werden - habt ihr nicht gelesen im Buch des Mose, in der Geschichte vom Dornbusch, wie Gott zu ihm gesagt hat: Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs? 27 Er ist nicht ein Gott von Toten, sondern von Lebenden. Ihr irrt sehr.» 

Über das Leben nach diesem Leben, oder über eine Auferstehung der Toten, darüber machten sich die Menschen im alten Bund relativ wenig Gedanken. Man sagt darum auch, der alttestamentliche Glaube sei eine ausgeprägt diesseitige Religion. Mit alttestamentlichem Glauben hatte darum auch der Totenkult nichts zu tun. Im alten Israel gibt es keine Königsgräber zu bestaunen wie z.B. im benachbarten Ägypten mit seinen Pyramiden. Gerhard von Rad, ein grosser deutscher Forscher im Alten Testament schreibt darum: «Die Toten waren von Gott und der Lebensgemeinschaft mit ihm geschieden, weil sie jenseits des Gotteskultes standen.» Und dann zitiert er Psalm 88, wo es heisst: «11 Tust du an den Toten Wunder? Stehen Schatten auf, dich zu preisen? 12 Wird deine Güte im Grab verkündet, deine Treue im Abgrund? 13 Werden deine Wunder in der Finsternis kund und deine Gerechtigkeit im Land des Vergessens?» Vom Hinschied der Könige und ihrer Beisetzung heisst es jeweils schlicht und ergreifend: «Und er legte sich hin zu seinen Vätern. Und sein Sohn wurde König an seiner Statt.» Fertig, Ende, Schluss und das Leben geht weiter.

Wir Reformierten, die uns vom kath. Totenkult und der Heiligenverehrung radikal distanzierten und in Vielem wieder beim Alten Testament anknüpften, schafften zu beginnt der Reformation darum auch die kirchlich-christliche Trauerfeiern ganz ab. Die Bestattung der verstorbenen Christen war einzig die Aufgabe der Bürgergemeinde und eben gerade nicht der Kirchgemeinde. Erst später nahm man den Faden wieder etwas auf; der Dorflehrer hatte draussen vor der Kirche auf dem Grab, die Grabrede zu halten und der Pfarrer, nachdem der Sarg im Grab versenkt war, hielt in der Kirche dann die Auferstehungspredigt. Ein Sarg in einer reformierten Kirche, ein Knochenteil eines vorbildlichen Christen an der Kirchenwand, das war undenkbar.

Zur Zeit von Jesus nun die beiden gegensätzlichen Bewegungen. Die Pharisäer, die an die Auferstehung der Toten glaubten. Und die Sadduzäer, welche den Glauben an die Auferstehung ablehnten. Diese Sadduzäer kommen nun zu Jesus. Sie wissen, dass Jesus glaubensmässig den Pharisäern nähersteht, und dass er an die Auferstehung der Toten glaubt. Und also darum ihre Geschichte von der Frau, die nacheinander insgesamt mit 7 Brüdern, sieben Ehemännern verheiratet war. Mit der grossen abschliessenden Frage: «In der Auferstehung nun, wenn sie auferstehen - wessen Frau wird sie sein?»

Nun, Jesus bleibt ganz in der Linie der Pharisäer. Er glaubt voll und ganz an die Auferstehung der Toten. Darum sagt er gleich etwas über die Art der Seins nach der Auferstehung. Wörtlich: «Wenn sie nämlich von den Toten auferstehen, heiraten sie nicht, noch werden sie verheiratet, sondern sie sind wie Engel im Himmel.» Das ist vielleicht für die glücklich Verheirateten ein sonderbarer Gedanke – dann nicht mehr verheiratet zu sein und für die unglücklich Verheirateten ein befreiender Gedanke, dann nicht mehr weiter gebunden zu sein. Es ist wohl einfach so, dass die Geschlechtlichkeit und die gegenseitige Anziehung oder Abstossung, dann mal kein Thema mehr sein wird. Darum ist es vielleicht auch besser, wir sind vorsichtig mit der Frage, ob wir im Himmel eins unsere Lieben wieder sehen werden. Viel eher wird das Bedürfnis nach dem Wiedersehen wohl etwas gedämpft oder gar ganz aufgehoben sein.

Als zweites macht Jesus darauf aufmerksam, dass die Toten eben doch leben, doch eine Existenz haben. «26 Was aber die Toten betrifft, wenn sie auferweckt werden - habt ihr nicht gelesen im Buch des Mose, in der Geschichte vom Dornbusch, wie Gott zu ihm gesagt hat: Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs? 27 Er ist nicht ein Gott von Toten, sondern von Lebenden.» Jawohl, Abraham existiert. Isaak existiert. Jakob existiert. Du wirst existieren. Ich werde existieren. Auch wenn wir uns das so leicht nicht vorstellen können. Es ist so, und wir dürfen uns überraschen lassen. – Aus der Bibel sind wir eingeladen, uns hier in diesem Leben ganz einzubringen, als ob es kein anderes Leben gäbe. Grad unsere jüdischen Glaubensgenossen machen es uns vor, sich in diesem Leben zu bilden, sich zu regen, zu studieren, zu forschen, zu handeln und zu produzieren. Unsere protestantischen Vorfahren haben uns das ebenfalls so vorgemacht. Kein Zufall gab es bis anfangs 20. Jahrhundert in den sechs protestantischen Städten: Basel, Bern & Zürich, sowie Neuenburg, Lausanne & Genf je eine Universität, in Zürich und Lausanne je noch eine Eidg. Technische Hochschule und im katholischen Gebiet nur eine einzige Universität, nämlich die im zweisprachigen Fribourg/Freiburg. – Aus der Bibel sind wir eingeladen, unser Leben am Schluss getrost loszulassen, weil es noch eine andere, selige Existenz gibt, die Welt, wo Jesus sagt: «Siehe ich gehe hin, um Euch eine Stätte zu bereiten. In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen.» Und wie wird es dort nun also sein?

Vielleicht dazu vorläufig einfach mal eine Geschichte aus dem Mittelalter: «Zwei Mönche teilen sich eine Zelle im Kloster. Sie sind mit der Zeit nicht nur Brüder, sondern auch Freunde und sprechen viel über das, was nach dem Tod sein wird. Manchmal stellen sie sich die Ewigkeit sehr konkret vor, in allen Einzelheiten. Ein andermal zweifeln sie wieder. Dann haben sie eine Idee: Derjenige, der zuerst stirbt, soll dem anderen im Traum erscheinen und nur eins von zwei lateinischen Wörtern sagen. „Taliter“ - Das heißt: «Es ist so». Oder: „Aliter“ - Das heißt: «es ist anders.» Bald stirbt einer der Mönche und in der folgenden Nacht erscheint er seinem Freund. „Und?“ fragt dieser: „Taliter? Es ist so?“. Der Verstorbene schüttelt den Kopf. „Aliter? Anders?“ Wieder ein Kopfschütteln. Und mit einem leichten Lächeln flüstert er: „Totaliter aliter - Es ist völlig anders.“ AMEN.


Bremgarten, den 26. Oktober 2025

Ruedi Bertschi
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5620 Bremgarten
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