Pfingsten, das ist mehr als ein verlängertes Wochenende. Das ist mehr als ein Stehen im Stau. Pfingsten, das ist der Mehrwert der Kirche. Das macht sie - trotz allen Schwächen - so besonders. Dazu ist eine Predigt entstanden.
Liebe Gemeinde, liebe Gäste
„Nicht durch Schlauheit u. Schlagkraft, sondern durch Gottes Geist“ Ja, heute geht es um den Heiligen Geist, um seine Kraft und Ausstrahlung. Es ist fast ein bisschen das Gegenstück zu „Tue Gutes und sprich davon!“ Das versuchen wir ja auch immer mal wieder in unserer Kirche. «Tue Gutes und sprich davon!» Ein fröhliches Bild von den Konfirmationen auf unserer Homepage. Einen freundlichen Bericht mit Bild vom Seniorenausflug im Bremgarter Bezirksanzeiger… «Tue Gutes und sprich davon!» - Gut und wichtig! Wir wollen als Kirchgemeinde in den Medien in einem möglichst positiven Licht erscheinen. - Wir müssen uns ja auch nicht verstecken. Uns gibt es schon seit über 1300 Jahre in unserer Region! Die Gebäude vom St. Klarakloster und dem Kapuzinerkloster in Bremgarten, das aktive Benediktinerinnenkloster in Hermetschwil und das stillgelegte Zisterzienserinnenkloster hier im alten Gnadental, sie alle sind mächtige Zeugen einer reichen Vergangenheit. Und überall die alten steinernen Wegkreuze, die auf IHN und auf die Präsenz der Kirche hindeuten… - Aber das ist nicht alles. Noch längst nicht alles.
Hören wir auf das Predigtwort aus dem Propheten Sacharja: „Daraufhin sagte ER zu mir: Dies ist das Wort des HERRN an Serubabel: Nicht durch Heer und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist! spricht der HERR der Heerscharen.“ Haggai, Sacharja und Maleachi sind die drei letzten Propheten im Alten Testament. Sie wirkten alle drei nach der bisher grössten Katastrophe im alten Israel. Sie wirkten alle drei nach dem Exil in Babylon. Sie wirkten alle drei an der Schwelle eines schwachen und unsicheren Neuanfangs im alten verheissenen Land. Sacharja bekam von Gott eine Serie von acht Visionen um Jerusalem zu trösten. Und da, in der fünften Vision, bekam Sacharja eben dieses Wort: „Daraufhin sagte er zu mir: Dies ist das Wort des HERRN an Serubabel: Nicht durch Heer und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist! spricht der HERR der Heerscharen.“
Nun, wer ist dieser „Serubabel“, an den ursprünglich dieses grosse Prophetenwort gerichtet ist? - Serubabel ist der weltliche Führer derjenigen Juden, die aus dem Exil aus Babylon nach Israel zurückge-kehrt sind. Serubabel ein Enkel von Jojachin dem vorletzten König in Jerusalem. Serubabels Grossvater war damals in die Verbannung geschleppt worden war. Serubabels Grossvater wurde später vom babylonischen Herrscher rehabilitiert und durfte wieder mit den Mächtigen tafeln. Damit war der königlich jüdischen Familie der Weg frei gemacht zu neuer politischer Laufbahn. Und Serubabel hatte es gepackt. Von der Herkunft zwar Jude, aber vom Namen her bestens integriert mit einem irakischen Namen. Ein Jude in Babylon mit dem Namen Serubabel, das ist wie bei uns ein Afghanenmädchen mit dem Namen Susanne oder Claudia. Von Haus aus kannte Serubabel die Regeln von Macht und Ohnmacht, von Kraft und Schwäche, von Mehrheiten und Minderheiten, von oben und unten.
So und dieser Serubabel wird nun vom Gottesmann Sacharja noch auf etwas Grösseres aufmerksam gemacht. Neben militärischer Macht und politischer Kraft gibt es noch eine andere Dimension– nämlich IHN, Gottes Geist! Nicht durch Heer und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist! spricht der HERR der Heerscharen.“
In diesem dicken alten Buch der Bibel gibt es so unglaublich spannende und eindrückliche Beispiele, von dem was möglich ist, wenn der Geist Gottes am Wehen ist, aber auch von dem, was überhaupt nicht funktioniert, wenn Gottes Geist mit seinem Dienst warten lässt. Da ist zum Beispiel die Geschichte vom Propheten Jona. Wir kennen ihn, der Prophet im Fischbauch! Eine der Form nach überaus schwache Predigt wird uns von ihm aus Ninive überliefert. Die Zusammenfassung hat nur einen Satz – nur einen einzigen Satz: „Noch vierzig Tage, dann ist Ninive zerstört!“ – So eine schwache, lausige Droh-predigt! Und dennoch: Auf die Predigt des Jonas hin hat die ganze Stadt Ninive vom kleinsten blökenden Schaf bis zum erhabenen, mächtigen Gottkönig Busse getan. Sie haben sich in Sack gekleidet und in die Asche gesetzt und haben gefastet, in der Hoffnung auf einen barmherzigen Gott, der noch einmal von der Zerstörung ab-sieht. - Daneben steht der Prophet Amos. Amos predigte gewaltig und rhetorisch brillant. Er kannte die Sprache und Kultur seiner Leu-te. - Auf seine Predigt hin folgte aber nicht die geringste Bewegung in Richtung Busse und Umkehr, dafür ein umso deutlicher Ausweisungsbefehl. „Seher, geh, fliehe ins Land Juda und iss dort dein Brot, und dort magst du weissagen! In Bet-El aber darfst du nicht mehr weissagen, denn es ist ein königliches Heiligtum und ein königliches Haus!“
Nicht durch Heer und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist! spricht der HERR der Heerscharen.“ „Interessant und tröstlich für mich, wie Gott selber nach einer Zeit des Exils in Babylon wieder sichtbar eingegriffen hat. Wir er das babylonische Regime zerstört und es durch das Persisches ersetzt hat, welches den verschleppten Israeliten viel besser gesinnt war und dafür sorgte, dass sie wieder zurück in ihre alte Heimat durften. Tröstlich auch, wie Gott neue Gottesmänner berufen hat: Esra, Sacharja, Haggai, Maleachi, aber eben auch so politische Schwergewichte wie Serubabel und Nehemia.
Nicht durch Heer und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist! spricht der HERR der Heerscharen. Gell, viele von uns hier in diesem Raum sind bereits ziemlich schwach, körperlich oder im Kopf. Sie sind im Rollstuhl, schieben einen Rollator oder sind im Kopf etwas durcheinander. Darum seid ihr hier im Reusspark, einfach weil es zu Hause so nicht mehr ging. Alle wissen, dass die Kräfte – im Kopf oder in den Beinen – kaum mehr zunehmen, sondern eher abnehmen werden. Das ist fast so sicher wie das AMEN in der Kirche. Das aber ist nicht alles, längst nicht alles. Da ist auch noch ER, Gott, Jesus, mit seinem Geist. Er tröstet. Er stärkt. Er trägt. Er trägt sogar «heiwärts» – so wie das Jahresmotto der Reussparks für 2025 lautet: Ja, ER, der Heilige Geist, ER trägt «heiwärts». Er sorgt aber auch schon hier für Ruhe, für Frieden, für Geduld und immer auch wieder für die eine oder die andere kleine Freude, so wie ich mich jetzt schon darauf freue, im Anschluss an den Gottesdienst mit dem Team noch einen guten, wohlriechenden Kaffee zu geniessen.
Unsere Kirche ist kein gewöhnlicher Verein, sonst wäre sie schon lange wieder gestorben. Unsere Kirche ist mehr! Sie ist Gottes Tempel und Gottes Volk. Der Apostel Paulus sagt, dass auch wir Christen ein Tempel des Heiligen Geistes sind, also nicht nur aus Fleisch und Blut, nein, nein: Ein Tempel des Heiligen Geistes. Und ER ist es, der Ihr zur rechten Zeit wieder mächtig neues Leben einhaucht. - Hören wir nochmals das Prophetenwort zu Pfingsten: „Daraufhin sagte er zu mir: Dies ist das Wort des HERRN an Serubabel: Nicht durch Heer und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist! spricht der HERR der Heerscharen.“ AMEN.
Bremgarten, den 10. Juni 2025
Ruedi Bertschi
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