Die Rückkehr

people-3983104_1280 (1) (Foto: Ruedi Bertschi)
Von Jesus gibt es eine weltberühmte Geschichte von einem Gescheiterten, der zu seinem Vater zurückgekehrt ist. Normalsterbliche aber haben es bei ihrer Rückkehr zuweilen etwas schwerer, vor allem dann, wenn sich auf der andern Seite auch nur Normalsterbliche befinden.
Ruedi Bertschi,
Ök. Gottesdienst am 30. 3. 2025 in Niederwil
Zum Gleichnis vom verlorenen Sohn
Die Rückkehr des Älteren
(Lukas 15:11ff)


Der heruntergekommene Sohn ringt sich durch, denn so kann es nicht weitergehen. Er will sich aufmachen. Er will zurück auf den elterlichen Hof. Der Gescheiterte bereitet sich innerlich auf die Begegnung mit seinem Vater vor. Er überlegt sich, was er sagen wird… «Nein! Forderungen habe ich keine mehr, gar keine. Ich will dann einfach sagen: <Vater, ich bin nicht mehr würdig dein Sohn zu sein! Mit dem Status eines Tagelöhners bin ich längst zufrieden.> - Ja so will er es dem Vater sagen… Denn besser Tagelöhner beim Vater als Schweinehüten in der Fremde… Und dann erzählt Jesus: «Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und der lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn…» Und dann ist da nichts von Tagelöhner! Es gibt gar neue Kleider. Es gibt gar ein Festessen mit Musik und Tanz…. Ein ganzes Mastkalb wird geschmaust. Der Heruntergekommene, Stinkende, Zerlumpte, Gebeugte und Zerbrochene torkelt Richtung Hofplatz und dann das: «Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn.» – Jesus malt vor Augen: So, genauso und nicht anders ist der himmlische Vater. Er ist ein Freund der Heruntergekommenen, der Versager und Gescheiterten!

Szenenwechsel: Rückkehr des braven Erstgeborenen im Juli 1992 in Dürrenäsch. Drei Jahre war ich in Afrika gewesen, ohne ein einziges Mal dazwischen heimatlichen Boden zu betreten. Ich glaubte, einem Ruf gefolgt zu sein, dem Ruf, Vater und Mutter zu verlassen und IHM, nur IHM allein zu dienen. Südlich der Sahara hatte ich eine junge Frau kennengelernt. Wir hatten uns dort verlobt. Wir hatten dort zusammen geheiratet. An der Hochzeit wurden eine Kuh und ein Stier geschlachtet, um die 500 Gäste zu bewirten… Und dann also, nach drei Jahren, komme ich mit meiner jungen Frau zum ersten Mal in meine Heimat nach Dürrenäsch auf unseren Hof, ich der Erstgeborene. Meine Frau Claudia und ich hatten uns zuvor telefonisch angemeldet. Es war alles ordnungsgemäss abgemacht. Keine Überraschung! Und wir hatten uns gefreut. – Also gefreut… Mir war auch noch etwas bange… Ich hatte ein leicht mulmiges Gefühl…. Werde ich weinen? Wird mein Vater weinen, wird er mich gar umarmen? – Wohl eher nicht, denn das ist nicht seine Art. Aber weinen wird er, so wie er geweint hatte, als er mich drei Jahre zuvor auf die Bahnstation gefahren hatte? Und die Mutter? Also die Mutter, die werde ich so richtig in den Arm nehmen… Vieles ging mir während den letzten Autokilometer durch den Kopf…. Dann aber ist es so weit. Wir fahren mit unserem kleinen, roten VW-Polo auf den elterlichen Hofplatz… Und wer kommt uns als erstes entgegen? - Wer empfängt uns? - Wer reagiert auf unser Klingeln? – Niemand! Gar niemand! Einfach gar niemand! Irgendwie ist keiner zu Hause. Keiner! Ausser… Doch, doch: Die inzwischen etwas gealterte Hofhündin Diana bellt und weiss nicht recht, ob sie mich noch kennt oder doch nicht. Erste Anzeichen von Hundedemenz…. Aber sonst: Niemand! – Ich, der brave Erstgeborene komme nach drei mehr als intensiven Afrikajahren und darum etwas ausgezehrt nach Hause, da wo ich geboren und aufgewachsen bin, wo ich jeden Baum und jeden Busch kenne, da, wo meine Eltern und mein Bruder wohnen. Ich komme mit meiner Frau nach Hause und niemand ist da! Niemand, einfach nur niemand… Sie kommen dann schon mit der Zeit. Die Mutter mit dem Töffli und der Einkaufstasche an der Lenkstange. Der Vater mit dem Traktor und Anhänger vom Feld. - Sie hatten halt alle noch viel zu tun. Sie waren beim Einkaufen. Sie waren auf dem Feld. Sie hatten alle wichtigeres zu tun, als die wertvolle Zeit mit Warten auf Ruedi und Claudia zu vergeuden. Wichtigeres zu tun, als Ruedi und Claudia zu empfangen….

Der Empfang des braven Erstgeborenen im Sommer 1992 in Dürrenäsch… Überfordern wir uns selber und andere nicht! Wenn jemandem ein Empfang bereitet wird, wie Jesus das vom verlorenen Sohn und seinem Vater erzählt, dann ist das schön, aber alles andere wie selbstverständlich. Jesus redet hier nicht von einem irdischen Vater und auch nicht von einer irdischen Mutter, sondern vom himmlischen Vater. Egal wie unvollkommen wir Menschen sind und wie eigenartig wir gelegentlich unsere Prioritäten setzen, unser Vater im Himmel, der wartet auf uns. Der hat viel Zeit! - Ja, der kommt uns gar entgegen, auch dann, wenn wir uns in einem erbärmlichen Zustand befinden. Den Empfang, den überlässt er nicht seinem himmlischen Hofhund und auch nicht seiner himmlischen Hofhündin. - Nicht immer ist Zeit für einen Neuanfang. Aber bei Gott sind Türen und Arme weit offen. AMEN.