Gott wird Fleisch

Jesus am Kreuz (Foto: Ruedi Bertschi)
Viele Menschen wollten sein wie Gott und sind daran gescheitert. Doch in den Evangelien begegnet uns der einzigartige Vorgang, dass Gott Mensch geworden ist. Im 1700-jährigen Glaubensbekenntnis von Nicäa heisst es gar: Er ist herabgestiegen und Fleisch geworden. - Daraus ist eine Predigt entstanden.
Ruedi Bertschi,
Predigt im ökumenischen Gottesdienst vom 19. Januar 2025
Zum Bekenntnis von Nicäa von 325


Liebe Gemeinde, liebe Gäste

Soeben haben wir es zusammen gesprochen, dieses knorrige, 1700-jährige Glaubensbekenntnis, wo man versuchte, die damals für wesentlich empfundene Glaubenswahrheiten zusammenzutragen und unwahre Behauptungen abzuweisen… Da heisst es unter anderem über Jesus: «der für uns Menschen und wegen unseres Heils herabgestiegen und Fleisch geworden ist, Mensch geworden ist…» Sehr knorrig! Oder wie jemand mal sagte: «Schon viele Menschen wollten sein wie Gott. Im Evangelium aber begegnen wir dem einzigartigen Geschehen, dass Gott Mensch geworden ist.» Ja deutlicher noch: Gott ist Fleisch geworden.

Liebe katholische, neuapostolische, evangelisch freikirchliche und reformierte Christen und die welche es noch werden möchten. Das ist etwas Grossartiges, diese Fleischwerdung, diese Inkarnation. «Der für uns Menschen und wegen unseres Heils herabgestiegen und Fleisch geworden ist, Mensch geworden ist…» Wir Christen müssen uns nicht entschuldigen, dass wir Menschen aus Fleisch und Blut sind mit glatter Haut, mit faltiger Haut voller Altersflecken oder mit antiaging Creme aufpolierter Haut… Gott ist es selber auch geworden.

Was aber bedeutet das, die Fleischwerdung Gottes für uns als Christen des 21. Jahrhunderts hier im edlen Bremgarten und seiner noch edleren Umgebung? Der wunderbare Franziskanerpater Richard Rohr aus Amerika schreibt dazu in seinem überaus lesenswerten Büchlein «Der nackte Gott»: «Wegen der Inkarnation, der Menschwerdung von Jesus, ergibt das Christentum losgelöst von der Kirche für mich keinen Sinn. Bis Gottes Wort in wirklichen Menschen und konkreten zwischenmenschlichen Beziehungen vor Ort Fleisch und Gestalt annimmt, bleibt das Christentum trocken und abstrakt.» Merken wir: Du kannst als Mensch aus Fleisch und Blut auf die Länge nicht sinnvoll Christ sein, losgelöst von einer Kirche aus Fleisch und Blut. Kirchenlose und gemeindelose Christen, sie verpassen oder vermeiden oder fliehen das Geheimnis der Inkarnation. Sie hatten fleischlose Vorstellungen von einer Kirche und sind nun frustriert. Oder sie warten auf die reine Kirche, auf die streng biblische, rein theoretische, die es aber so noch nie gegeben hat, nirgends gibt und so auch nie geben wird. Zu einem christlichen Leben gehört die Gemeinschaft zu einer realexistierenden Kirche aus Fleisch und Blut.

Und zweitens: Es gibt es keine Christen und keine Christinnen an sich, rein biblisch, streng theoretisch, perfekt, durchheiligt oder was und wie auch immer. Es gibt den Christen immer nur in meinem Glaubensbruder aus Fleisch und Blut. Es gibt die Christin immer nur als meine Glaubensschwester aus Fleisch und Blut. Meine Glaubensbrüder, sie haben Namen. Sie heissen Thomas Frei, Viktor Steiner, Marcel Sturzenegger. Meine Glaubensschwestern, sie haben Namen. Sie heissen Claudia Pedolin, Marianne Buzek, Monika Schüeber. Freunde kann man aussuchen, Freundinnen auch, ebenso seinen Partner und seine Partnerin, nicht aber unsere Geschwister. Wir sind uns gegenseitig zugewiesen. Glaubensgeschwister sind da, um uns zu ermutigen, zu tragen, zu ertragen, herauszufordern, zu schleifen, und zuweilen auch um mal eine kritische Frage zu stellen oder uns ganz schlicht zu ermahnen. – In Kamerun hatte ich mal einen mehrtägigen Fortbildungskurs. Ich sagte zu Beginn: Wir sind hier zusammengekommen, um viel zu lernen und nicht, um gut zu essen. Wer wegen dem Essen gekommen ist, geht besser gleich wieder nach Hause. Ein mutiger Teilnehmer aus Fleisch und Blut hat mich in der Pause zur Seite genommen und mir gesagt, dass ich grad den älteren unter den Teilnehmenden Unrecht getan hätte, die sich auf das gute Essen freuen würden. Zu einer guten geistlichen Nahrung gehöre auch eine gute leibliche Speise. Ich müsse mich entschuldigen. Das ging mir etwas gegen mein Fleisch, aber ich tat es. Und die die Sache war im übertragenen, wie auch im wörtlichen Sinn danach gegessen. AMEN.