Im Leben hat jeder und jede von uns schon mindestens einmal versagt: Im Diktat, im Turnen oder an der Fahrprüfung. Das Leben bietet auch später viele Möglichkeiten: Im Geschäft, in der Erziehung oder in einer Beziehung. - Gut, wenn wir danach wieder aufstehen und die Krone zurechtrücken. Manchmal hilft uns jemand dabei. Dazu ist eine Predigt von Ruedi Bertschi entsanden...
Liebe Gemeinde, liebe Gäste
Am vergangenen Sonntag haben wir uns in der Predigt dem Autor vom Markusevangelium angenähert. Der Titel lautete: Johannes Markus – Die Erfolgsgeschichte eines Versagers (der grosse Ärger). Als junger Gehilfe war Johannes Markus mit den beiden Missionspionieren Barnabas und Paulus unterwegs gewesen. Aus uns unbekannten Gründen hatte er sich mitten im ersten Einsatz abgesetzt und ist allein nach Jerusalem zurückgekehrt. - Als es um die zweite Missionsreise ging, weigerte sich Paulus, den Markus wieder mitzunehmen. Und als es hart auf hart ging, zog Paulus die Handbremse. Paulus entschied, sich von seinem Ziehvater und Mitstreiter Barnabas zu trennen und mit einem neuen Partner die Mission weiter zu treiben. Originalton: «Barnabas wollte auch Johannes Markus mitnehmen. Aber Paulus lehnte das entschieden ab, weil Johannes Markus sie damals in Pamphylien im Stich gelassen hatte. Sie stritten so heftig miteinander, dass sie sich schliesslich trennten. Barnabas fuhr mit Markus nach Zypern. Paulus aber wählte sich Silas als Begleiter...»
So und jetzt machen wir einen Sprung nach vorne, ca. 20 Jahre später, hinein in den letzten Brief, den wir vom Apostel Paulus haben, in den 2. Timotheusbrief. Da schreibt der gealterte Paulus in Kapitel 4:11 an seinen Freund Timotheus: „Nur Lukas ist noch bei mir. Nimm Markus zu dir und bring ihn mit dir! Denn er ist mir nützlich zum Dienst.“
Spüren wir den Unterschied? Vor der 2. Missionsreise hiess es: «Barnabas wollte auch Johannes Markus mitnehmen. Aber Paulus lehnte das entschieden ab, weil Johannes Markus sie damals in Pamphylien im Stich gelassen hatte.» Und jetzt, im letzten Schriftstück, das wir Paulus noch haben: „Nimm Markus zu dir und bring ihn mit dir! Denn er ist mir nützlich zum Dienst.“ - Johannes Markus - Die Erfolgsgeschichte eines Versagers (Die Wiederherstellung)! - Ich möchte diese Veränderung mal von zwei Seiten anzugehen: Erstens von Markus & Barnabas her, und zweitens dann noch von Paulus.
Markus steht nach seinem Versagen wieder auf
Markus war nach der ersten Missionsreise in den Augen des Paulus ein Versager, einen, den man leider so nicht gebrauchen kann. Markus hatte die hohen Ansprüche des Paulus in seiner vollen Härte und Konsequenz zu spüren bekommen. Er hat aber auch erfahren, dass es im Reich Gottes nicht nur strenge Paulusse gibt, sondern auch einen barmherzigen Onkel Barnabas. «Menschen können einen aufgeben und fallen lassen… - Aber daran muss ich nicht zerbrechen. Wer weiss, vielleicht lässt Gott mich mindestens einem Menschen begegnen, der mich nicht fallen lässt und der mich nicht aufgibt. Ein Mensch, der es neu mit mir wagt. Der mich jetzt einfach nochmals zur selben Reise mitnimmt, die ich damals auf halbem Wege abgebrochen hatte.» Onkel Barnabas – wörtlich: der Mann des Trostes – der gute Gottesmann und grosse Seelsorger...
Wie die Reise damals mit Barnabas verlief, ob Markus durchgehalten hat oder nicht, davon lesen wir in der Bibel nichts. Barnabas verschwindet ganz von der Bildfläche und wird zu einem weissen Fleck in der biblischen Geschichtsschreibung. Was wir von den Kirchenvätern wissen, ist, dass Markus später den Apostel Petrus auf seinen Missionsreisen begleitet hat. Ja, dass Markus mit Petrus bis nach Rom gekommen ist. Und von Petrus wissen wir auch, dass er vor allem Zugang zu den einfachen nicht-jüdischen Leuten hatte. Diesen bezeugte er in sehr schlichter und persönlicher Art, was er mit Jesus erlebt hatte, damals, als er mit ihm unterwegs war in Palästina. Es waren eigentlich immer wieder dieselben Worte, dieselben Geschichten und dieselben Erfahrungen, die Petrus da erzählte. Und Markus war offenbar von diesen Berichten so bewegt, dass er den Eindruck bekam, er müsse sie mal aufschreiben, um der Nachwelt die Zeugenberichte des Petrus zu hinterlassen. So ist das sogenannte Markusevangelium entstanden. Es ist das kürzeste der vier Evangelien. Die einzelnen Geschichten aber, die es berichtet, sind in ihrer Art nirgends so ausführlich, wie bei Markus. Sie sind lebendig, frisch und gehen ins Detail, so wie Petrus sie an seine einfachen Zuhörer weitergegeben hatte. – Markus ist durch das Hören und durch all die Erfahrungen auf den Missionsreisen mit Petrus gewiss selbst gewachsen und gereift. Er konnte sein Versager-Image ablegen und zu einem treuen und wertvollen Mitarbeiter werden.
Paulus ist bereit, seine Meinung zu ändern
Um das Jahr 47 nach Christus ist Paulus strikt dagegen, mit Markus weiter im gleichen Team zu arbeiten. Ca. 20 Jahre danach bittet er seinen Freund Timotheus in einem Brief, den Markus doch zu sich zu nehmen und ihn mit sich zu nehmen. Den, welchen man um keinen Preis im Team wollte, wünscht man jetzt bei sich zu haben. Den, welchen man vor 20 Jahren als unnützen Versager einstufte, attestiert man jetzt: „...er ist mir nützlich zum Dienst.“ - Was ist in der Zwischenzeit alles geschehen? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass Paulus seine Meinung geändert hat; auch in einer Sache, wo er zuvor äusserst kompromisslos sein konnte.
Liebe Gemeinde, wie ist das eigentlich? Geziemt es einem aufrichtigen Christen, im Leben auch mal seine Meinung bezüglich einer Sache oder einer Person zu ändern? Oder ist es viel besser, sich für etwas zu entscheiden und dann, um als gradliniger Christ in die Geschichte einzugehen, seiner Meinung treu zu bleiben bis zum Tode?
Wissen sie, ich wage heute nicht mehr zu sagen, dass sich der Paulus damals im Streit mit Barnabas geirrt hat. Vielleicht hatte Paulus sogar vollkommen Recht. Vielleicht war Markus damals wirklich ein schwieriger Fall oder wenigstens ein Bruder, der für einen so knochenharten Missionseinsatz nicht sonderlich geeignet war. Immerhin lesen wir im Zusammenhang mit der ersten Missionsreise von einer Steinigung und im Zusammenhang mit der zweiten Missionsreise, von einer öffentlichen Auspeitschung. Vielleicht hatte Barnabas ja auch noch viele Schwierigkeiten mit Markus. Vielleicht ist er ihm sogar wieder davongelaufen. Wir wissen das alles nicht! - Aber eines hatte der Paulus im Laufe der Jahre wahrgenommen: Markus war inzwischen zu etwas zu gebrauchen. Und Paulus hat das nicht nur wahrgenommen, sondern auch für sich persönlich ernstgenommen. Paulus hat seine Meinung über Markus revidiert. Paulus wollte es mit Markus neu wagen, hatte es mit ihm vielleicht bereits zuvor neu gewagt, auch wenn er ihn früher als ungeeignet und unzuverlässig eingestuft hatte. Das finde ich wunderbar. In diesem Stil möchte ich selbst auch immer wieder auf Menschen und überhaupt aufs Leben zugehen. Andern eine Chance geben. Mir auch eine Meinungs- ja sogar eine Überzeugungsänderung zugestehen.
Fassen wir zusammen:
Von Paulus bekommen wir den ermutigenden Anstoss, dass es möglich ist, im Leben die Meinung über einen Menschen zu ändern. Von Markus bekommen wir de ermutigenden Anstoss, an Niederlagen nicht zu zerbrechen und sich deswegen nicht aufgeben. Und von Barnabas bekommen wir den Hinweis, dass man dem, der versagt, eine weitere Chance geben kann. Barnabas hatte wohl gut begriffen, dass ein Versagen uns ganz nahe ans Leben heranführt. Gott ist es, der Versagen zulässt und der rehabilitiert - durch Jesus!! Die Geschichte vom verlorenen Sohn ist ein starker Hinweis in diese Richtung. Nach einem Versagen ist es an uns, uns selbst die Chance zur Veränderung zu geben, und nicht gnadenlos mit uns selbst zu sein... Die Geschichte vom strengen Paulus, dem Versager Markus und dem barmherzigen Barnabas machen mir Mut, auch mal meine Meinung zu ändern. Sie macht mir auch Mut, nach kleineren und grösseren Niederlagen wieder aufzustehen. Sie macht Mut, einem Versager eine neue Chance zu geben. Otto Ineichen ist zuerst durch eine Konkurserfahrung gegangen, bevor er Otto’s gründete. Er ist inzwischen längst tot. Otto’s aber ist immer noch ein erfolgreiches Unternehmen auch bei uns hier in Bremgarten. Gottlieb Duttweiler ist nach dem ersten Weltkrieg durch eine demütigende Konkurserfahrung gegangen und musste sogar sein schönes Haus verkaufen bevor er die MIGROS gründete. Gottlieb Duttweiler ist längst tot. Die Geschichte seiner Migros kennen wir alle. - So, und jetzt freue ich mich, mit Euch in den nächsten Wochen und Monaten, einigen Geschichten und Jesusworten aus dem Markusevangelium nachzuspüren. AMEN.